Freitag, 29. März 2013

Chapter Twenty - The Agony Wagon - Part 1




Danzig – Mother

I
Renee Dwyer

Es war ganz offensichtlich, dass dieses Gebäude eine Bank war. Ich blickte kurz hoch zur Leuchtreklame, die über dem gewölbten Eingang hing, nur um sicherzugehen, dass ich am richtigen Ort war.

Das war ich.

Eine Reihe von bunten Irokesen und Springerstiefeln schlängelten sich aus der Tür, seitlich um das Gebäude herum und schließlich außer Sicht. Das war nicht gerade die Art von Club in dem ich Bellas adretten Freund erwartet hätte, aber das Mädchen, dem ich sein Bild an der Universität gezeigt hatte, schien sich sicher gewesen zu sein.

Ich richtete meinen Rock, die Perücke und ging mit großen Schritten zur Tür. Ich hatte nicht die Absicht, die halbe Nacht in der Reihe zu stehen. Der Türsteher davor war ein großer Kerl mit übermäßigen Muskeln und hervortretenden Adern. Er sollte leicht zu überzeugen sein.

"Hi!" Ich lächelte und musterte ihn kurz. Nett. Er grinste zurück. "Ich bin nicht sicher, ob ich richtig bin, aber mir wurde gesagt, dass hier heute Abend eine Band namens „Dirty Betty“ spielen soll?“

"Ja, das tun sie." Er glotzte meine Brust an. "Sie machen nur gerade eine Pause."

"Oh." Ich runzelte die Stirn und blickte kurz auf die lange Schlange. "Ich wollte sie wirklich sehen und die Schlange ist so lang. Kannst du mir da helfen?"

Er schien zu überlegen. Seine dicken Brauen wurden zu einen V und seine dünnen Lippen spitzten sich mit einem Seufzen.

"Ich sollte die Leute eigentlich nicht aus der Reihe springen lassen, Baby, nicht mal eine, die so verflucht sexy ist wie du."

Verdammt.

"Aber ich wollte ihren Sänger sehen, unbedingt." Ich schmollte und zog meine beste Groupie-Nummer ab. Dank eines recht talentierten plastischen Chirurgen und einer strengen Fitness- und Diät-Führung hatte ich nie Probleme, in jugendliche Clubs zu kommen; meist aufgrund der Tatsache, dass ich immer noch etwa aussah wie 25. "Ich bin den ganzen Weg von Phoenix hier hergekommen, nur um sie spielen zu sehen… und vielleicht… wenn es irgendwie möglich wäre, mit ihm zu reden."

Der Türsteher grinste. Bei seinem Blick musste ich mich ein bisschen schütteln.

"Du bist also nicht von hier, ja?"

"Nein", gab ich zu.

"Und du weißt nichts über „Dirty Betty“, sondern kennst nur die Art der Musik, die sie spielen?"

"Nein", antwortete ich einigermaßen ehrlich, meine Stirn runzelte sich verwirrt.

"In diesem Fall…" Er trat beiseite und grinste anzüglich wie eine Art verdorbener Perverser, "Geh rein, Baby. Sag der Schnecke an der Tür, dass Felix dich als seinen ´Gefallen´ reingelassen hat."

Ich ging an ihm vorbei, glücklich, dass ich nicht stehen und warten musste, aber ein bisschen unsicher, wegen seiner Reihe von Fragen. In was gerate ich hier rein? Vielleicht hätte ich außer Phil noch jemanden sagen sollen, wo ich hinging.

Gerade als ich den Club betrat, hörte ich zufällig, wie der Türsteher in sein Handy sprach. "Frischfleisch. Du schuldest mir was, Mann!" Eine Pause. "Ich weiß, ich weiß, aber sei nett, diese ist verdammt heiß." Ein Schnauben. "Okay, so nett, wie du kannst."  Ein Seufzer. "Zum Teufel nochmal, Mann, lass sie einfach ganz! Jemand anderes möchte vielleicht auch noch einen Ritt!"

Ich war mir nicht ganz sicher, mit wem er sprach, aber der Ton in seiner Stimme, als er diese Worte sagte, ließ mich ein wenig zittern. Doch es gab kein Zurück mehr. Ich konnte nicht gehen. Ich musste den Plan durchziehen. Wenn ich es nicht tat, dann würde es weit schlimmere Folgen haben, als alles, was ein grusliger Kerl in einer Punk Kneipe mit mir anstellen könnte.

Ich fand das Mädchen, von dem er erzählt hatte, rechts neben der Tür. Sie sah jung aus, ein bisschen jungenhaft, mit kurzen mausbraunen Haaren und scharfsinnigen Gesichtszügen. Eine Lesbe, ohne Frage.

"Ähm, Felix meinte, ich soll dir sagen, dass er mich als ´Gefallen´ reingelassen hat?“, sagte ich ihr, und zeigte auf die Vorderseite des Gebäudes, wo der Mucki-Mann, die Schlange beobachtend, stand.

Sie zog eine Augenbraue mit steinernem Gesicht hoch. "Einen Gefallen? Für wen?"

"Ich ..." Ich hatte keine Ahnung. Ich nahm an, dass er denjenigen gemeint hatte, den er auf dem Handy angerufen hatte, aber ich wusste nicht, wer das sein könnte. „Ich bin mir nicht sicher. Er sagte es so, als ob du wüsstest, wen er meinte."

"Ich bin kein Gedankenleser. Wenn du den Namen kennst, kann ich dich rein lassen, wenn nicht ... verpiss dich."

Ich starrte sie wütend an, so eine Schlampe, aber ich musste cool bleiben, sonst würde ich niemals in den verdammten Club kommen und erst recht nicht zu Edward Cullen.

"Es tut mir leid, aber er hat es mir nicht gesagt." Ich schmollte und klimperte sie mit meinen Wimpern an. Es konnte ja nicht schaden, oder? "Wenn du willst, kann ich ihn fragen. Ist mir egal."

Sie grinste. "Ich will dich nur verarschen, Honey." Sie kicherte. "Ich weiß, wen er meint. Komm rein."

Seltsam. Jeder hier schien in einem seltsamen außerpunkischen Sumpf-Code zu sprechen und es fing an, mir auf die Nerven zu gehen.

Das Innere des Clubs war ziemlich spektakulär, vor allem für einen Ort, der mit dem Ursprung des Punk Rock prahlte. Ich hatte eine Art schmuddeliges Loch erwartet, nicht eine gepflegte, zweistöckige Großartigkeit. Die Bar, die an der linken Seite des Gebäudes war, umlief eine polierte Platte aus dunklem Holz und Metall; die Wand dahinter war bedeckt mit offenen Regalen voller Schnapsflaschen. Hier war es rammelvoll. Der Boden vor der Bühne sah aus, als ob es nicht möglich wäre, einen weiteren Körper zu tragen. Die Bar war ähnlich überfüllt mit Menschen, die trinken wollten.

Ich drehte mich zu der massiven Treppe zu meiner Linken und schlängelte mich nach oben in die nächste Etage. Unten war es unmöglich etwas zu sehen oder auch nur nach vorn in die Nähe der Band zu kommen. Außerdem wollte ich mich nicht wirklich in das Schlachtgewühl der hüpfenden Horde stürzen, die mit Sicherheit in dem Moment einsetzen würde, wenn „Dirty Betty“  zurück auf die Bühne kam.

Der zweite Stock war in Wirklichkeit überhaupt keine Etage, nur ein großer Balkon, der die unterste Ebene umgab. Es befanden sich weniger Mensch hier oben, so war ich in der Lage, einen Platz gleich am Geländer zu finden, und das genau über der Bühne. Der günstige Aussichtspunkt war mehr als spektakulär. Wenn die Band herauskam, würde ich im Stande sein, alles mit Leichtigkeit zu überblicken. Glücklicherweise dauerte es nicht lange, bis es so weit war.

Da war ein Kerl mit einem kurzen, blonden Iro in engen Jeans und einem zerfledderten, abgenutzten Ramones T-Shirt. Er ging zum Schlagzeug, setzte sich und trat mit einem schnellen thump, thump, thump auf das Fußteil. Ein anderer Blonder, sehr ähnlich angezogen, aber mit mehr surferähnlichen Haaren, zurückgebunden in einen kurzen Pferdeschwanz, hob den Bass. Ein großer Kerl mit rasiertem Kopf schnappte sich die Gitarre vom Ständer.

Ich konnte sehen, warum „Dirty Betty“ so beliebt und warum der Club halbvoll mit tollwütig aussehenden Frauen war. Die Bandmitglieder waren  zum Totumfallen sexy.

Sie fingen an, das Intro eines mir seltsam bekannten Liedes aufzuführen, aber ich konnte es nicht einordnen. Die Masse schien sicher zu wissen, was es war, weil sie in dem Moment völlig verrücktspielten,  als die ersten Akkorde raus waren. Ich sah Bellas Freund nicht. Er war nicht mit dem Rest der Bandmitglieder herausgekommen. Erst mitten im Intro spazierte er auf die Bühne -  unter dem ohrenbetäubenden Lärm der Menge, eine Zigarette zwischen seinen vollen Lippen und eine halbleere Flasche Jack Daniels in seiner Hand.
Ich umklammerte mit einem erstickten Stöhnen und mit weißen Knöcheln das Geländer, denn ein Lustkick schoss durch mich wie ein Blitz bei Gewitter.

Er sah nicht aus wie auf dem Bild. Sicher, es war der gleiche Kerl mit den gleichen strahlend grünen Augen und den Fick-mich-gutem-Aussehen, aber er war nicht der adrette Popper-Typ, den ich erwartet hatte. Er trug superenge schwarze Jeans, rote baumelnde Hosenträger, kniehohe Doc Martins und war ohne Shirt. Eine Reihe von bunten Tätowierungen war auf festbemuskeltem Fleisch zu sehen; einige sahen ziemlich neu aus. Seine Haare waren zu einem Iro gestylt und nicht so wie eine dieser Imitationen, bei denen die Kerle die Haare einfach nur alle zu einem Punkt zusammenkämmen. Die Seiten waren penibel rasiert und der Iro selbst stand pfeilgerade, als ob er an seinem Platz festgeklebt war. Seine Erscheinung war brutal und barbarisch ... und fast orgastisch anzusehen. Ich stand nie wirklich auf Punks. Auch als ich noch jung war und Punk Rock der letzte Schrei gewesen war, waren Sportler mehr nach meinem Geschmack. Aber wenn dieser Kerl dagewesen wäre, als ich in Bellas Alter war, hätte ich an ihm wie der Gestank an der Scheiße geklebt.

Ich hatte immer noch Probleme damit, diesen Song einzuordnen. Ich wusste, er war gecovert und dass ich das Original schon gehört hatte. Die fehlende Verbindung machte mich aus irgendeinem Grund fertig. Es war etwas, das Phil sehr oft während unseres ersten Dates vor sich hingesungen hatte.

Ich war mir sicher.

Aber ich hatte keine Ahnung ... nicht bis er ans Mikrofon schlenderte, seine Flasche Jack auf den nahegelegenen Lautsprecher stellte und in einem sehr eindringlichen Ton anfing zu singen.

Die feinen Härchen auf meinen Armen stellten sich auf, und ich schauderte trotz der milden Temperatur in der verrauchten Luft.

Mother

Tell your children not to walk my way
Tell your children not to hear my words
What they mean
What they say


Mother

Mother!

Can you keep them in the dark for life
Can you hide them from the waiting world
Oooohmother!


Father!

Gonna take your daughter out tonight,
Gonna show her my wooorld!

 
Oh father!


Not about to see your light!
But if you wanna find Hell with me,
I can show you what it's like,
Till you're bleeding!


"Ach. Du. Meine. Scheiße!“

"Ich weiß!" Ein kleines Punk-Mädchen mit pinkem Haar brüllte neben mir. "Er ist großartig, nicht wahr?"

"Ich ... großartig ist nicht das Wort", krächzte ich, als der Freund meiner Tochter auf der Bühne herumsprang. Feste Muskeln wölbten sich und Schweiß flog. "Ich hab´ noch nie etwas Ähnliches wie ihn gesehen."

"Yeah, aber er ist wie ein Tigerhai." Sie grinste und hob ihre gepiercten Augenbrauen, als ob ich verstand, was sie meinte.

"Ein was?"

"Du weißt schon ... ein Tigerhai", lachte sie. "Hübsch aus der Ferne, aber er würde einem die Eingeweide aussaugen wie Spagetti, wenn du zu ihm ins Wasser steigst."

Ich drehte mich stirnrunzelnd zurück zur Bühne. Was hatte sie damit gemeint? War Edward Cullen ein Frauenheld? Ist es das, was sie sagen wollte? Sicherlich hatte sie es nicht wörtlich gemeint. Er ging schließlich trotz all der Auswahl mit Bella aus. Mit meiner einzigen Tochter, die der Inbegriff von schüchtern und schwach war. Wenn er ein ´Hai´ war, wie das Mädchen sagte, hätte er sie zerkaut und einen Monat später wieder ausgespuckt. Nein, sie musste gemeint haben, dass er ein Frauenheld war, welchen ich definitiv in ihm auch erkennen konnte. Mädchen mussten sich einfach wartend für ihn aufreihen, damit er sie ficken konnte… nackt und bereits schlüpfrig vor Schmiere.

Dies könnte ich zu meinem Vorteil nutzen.

"Außerdem hat er eine Freundin", fuhr sie fort. "Eine leichenblasse, dunkelhaarige Tussi namens Bellas."

"Ist sie heute Abend hier?“, fragte ich grinsend.

Das Mädchen sah nach unten in die Menge und fing an zu suchen.

"Ja", sie zeigte auf die Bar. Ich entdeckte Bella sofort. "Schau, das Mädchen da rechts mit dem großen Kerl, der aussieht wie ein Linebacker von den Dallas Cowboys?"

"Ja?"

"Das ist sie", kicherte sie. "Sie hat immer diesen Kerl bei sich, wenn er auf der Bühne ist. Er ist ziemlich beschützerisch. Einer von den Arschlöchern hat es an einem Abend gewagt, seine Hände auf sie zu legen, und Masen hat ihm seinen Armen an drei Stellen gebrochen."

"Masen?" Nun war ich verwirrt.

"Ja." Sie nickte. "Der Kerl heißt Masen Cullen."

Möglicherweise hatte Phil Eric den falschen Cullen finden lassen. Einen Zwilling vielleicht? Das könnte sein abweichendes Aussehen erklären. "Hat er einen Zwillingsbruder, oder so was?"

"Uhh, nein, nicht dass ich wüsste." Sie hob eine Augenbraue. "Warum?"

"Ich dachte nur, sein Name wäre Edward."

Sie lachte. "Ja, ich hab gehört, dass Leute ihn auch so nennen, aber für die meisten hier ist er Masen ... oder Dämon. Die Besitzerin Jane spricht die ganze Zeit von ihm als `Der Dämon`."

Ich drehte mich zurück zur Bühne, wo sich die Band  zu etwas ernsteren Hardcore Hillbilly klingendem Punk Rock bewegte, komplett mit Stand Up Bass. (http://www.tumblr.com/tagged/upright%20bass?before=19 ) Max and Floyd´s ortsansässiger Dämon stand auf einem großen Lautsprecher, stampfte mit einem Doc Martin den Takt der Musik und spuckte in die Menge. Das Publikum wurde irre, und mehrere Leute hatten ihren Mund in dem Versuch geöffnet, die fliegende Spucke aufzufangen. Ein Mädchen schrie und fing an, auf und ab zu springen, als es ihr gelang. Ich beobachtete entgeistert die Szene, als er mit einem Finger auf sie zeigte und das mit dem bösesten, lecker aussehensten Grinsen, welches ich je gesehen hatte. Dann packte er seinen Schritt und leckte seine Lippen in einer extrem anzüglichen Weise.

Sie fiel wie ein Stein um, ohnmächtig vor Begeisterung.

Es war kompletter und völliger Wahnsinn. Ich hatte nie etwas so Beklopptes und doch so verdammt Erregendes zugleich gesehen. Noch hatte ich jemals einen so jungen Kerl gesehen, der so eine kraftvolle Präsenz und Selbstdarstellung verkörperte wie der Typ auf der Bühne. Wegen ihm verdrehte sich mein Innerstes und er ließ auf köstlichste Art und Weise mein Geschlecht nass werden.

"Sein Spitzname passt zu ihm", sagte ich.

"Du hast keine verfickte Ahnung." Das Mädchen schnaubte und zog dann ein Gesicht, als ob sie besorgt um meine Sicherheit war. "Schau, ich bin nicht sicher, was deine Absichten sind, aber ich würde mich von ihm fernhalten, wenn ich du wäre. Sie nennen ihn aus gutem Grund ´Dämon´, weißt du. Er hat einen ... Ruf. "

Niedlich. Sie war besorgt, dass ich von einem Frauenheld hereingelegt wurde. Fast hätte ich gelacht.
"Ich habs kapiert." Ich zuckte mit den Schultern. "Er ist ein Frauenheld."

"So etwas Ähnliches." Sie runzelte die Stirn und drehte sich zur Bühne, um wieder der Band zuzuschauen. "Der Punkt ist, mit ihm ist nicht zu spaßen. Du kannst nicht von hier sein, wenn du keine Ahnung hast, denn alle Mädchen hier wissen es und  bleiben von ihm weg, außer sie haben eine Art abartigen Todeswunsch."

Abartig? Das würde sehr interessant werden.

"Also ist er ein Perverser?" Ich grinste. "Wie, hat er eine Art seltsamen Fetisch?

Sie lachte humorlos. "Ich würde es eher eine sexuelle Störung nennen, aber perverser Fetisch trifft es auch… wenn du es so nennen willst."

"Also, was? Er macht einen auf anpinkeln oder so einen Scheiß?" Ich zuckte wieder unbeirrt mit den Schultern. "Große Sache."

Sie hob amüsiert einen Mundwinkel. "Nicht, dass ich wüsste."

"Dann sag es mir!" brüllte ich und wurde ein wenig ungeduldig von dem kryptischen Gerede. "Spuck’s einfach aus, wenn du so besorgt um das Wohlbefinden der ´Neuen´ bist!"

Sie seufzte. "Alles, was ich weiß, ist, was ich gehört habe." Sie lehnte sich zu mir. "Offensichtlich mag er es Mädchen festzubinden. Sie auspeitschen, weißt du?"

Ich lachte. Wie bei einem echten, tief aus dem Bauch kommenden Lachen warf ich meinen Kopf zurück vor Vergnügen. Ich konnte nicht anders. "Sexuelle Dominanz ist keine ´schwere Störung´ du Dummerchen." Ich ging weg und winkte verächtlich, als sie grölte, "Nein! Du hast alles falsch verstanden! Er ist nicht irgendein Piss-mich-an-Dom! Er ist ein..."

Ich hörte nicht zu. Ich wollte näher ran, so dass ich ihn mit Bella interagieren sehen konnte, wenn er von der Bühne kam. Aber etwas nagte an mir. Ich wollte ihn riechen, ihn berühren, sehen, wie sein voller Mund sich auf meinem vor Schweiß glitschigen Fleisch anfühlt. Ich wusste, dass das hier nicht der richtige Ort dafür war. Ich war nur gekommen, um zu beobachten; aber wenn sich die Gelegenheit bot, wäre es zu verlockend, als dass ich diese an mir vorbeiziehen lassen könnte.

Ich machte mich auf den Weg die geschwungene Treppe hinunter, gefüllt mit Punk Kids, die rauchten und ihre grellbunten Köpfe mit der Musik auf und ab bewegten. Mit der Zeit schaffte ich es bis zur Bar, und parkte mich ein oder zwei Meter von Bella entfernt. Ihr übergroßer Bodyguard und Felix, der Türsteher, der sich ihnen angeschlossen hatte, war auch da. „Dirty Betty“ gaben ihren letzten Song bekannt.

Perfektes Timing.

Ich bestellte einen Bourbon und wand mich etwas von Bella ab, so dass sie mich nicht erkennen konnte. Nicht, dass sie überhaupt eine Chance hätte, mich zu erkennen. Eines der ersten Dinge, die Phil getan hatte, als er beschlossen hatte, dieser Besessenheit von ihr zu folgen, war, mich zu einem plastischen Chirurgen zu schicken. Ich sah nicht mehr so aus, wie sie mich in Erinnerung hatte, aber ich drehte mich trotzdem weg, vor allem, weil ich mich davon abhalten wollte, sie anzustarren.

Sie sah so schön aus.

Die E-Gitarre schlug den letzten Song an, und die Menge wurde buchstäblich irre. Ich dachte, sie würden anfangen, die Wände hochzuklettern. Ich kannte den Song nicht. Aber in dem Moment, als sie ersten Zeilen aus Masen Cullens Mund kamen, wusste ich, warum sie sich in so eine tollwütige Raserei verloren.

Well, eyeballs for breakfast.
Jack-off for lunch.
I'd like it better if you hadda fuckin' cunt.
Let's fuck.
Oh-oh-oh, let's fuck.
Yeah, I'm made 'a rubber,
You're made 'a glue.
I wanna stick my fuckin' cock inside of you.
I said, "Fuck!"
Come on, fuck.
Yeah, I'm the best fuckin' fuck in the whole USA.
I can fuck you to death, I can fuck you to stay.
I'm the best fuckin' fuck in the whole god damn world!
Dog eat dog, boy eat girl.
I'm the Duke of fuckin' Earl.
Let's fuck!

"Oh yeah!“, grölte Felix nach, und ließ mich auf meinem Stuhl zusammenzucken. Ich saß mit dem Rücken zur Band, keuchte, errötete und wagte nicht, mich umzudrehen und zuzusehen. Ich konnte mir nur vorstellen, was er auf der Bühne tat, während er sein Lied sang. Wenn die Reaktion der Menge ein Hinweis war, würde ich verlieren, das war sicher. "Ich will irgendeine Möse ficken!"

Was für´n Trottel.

"Wow, wie kommt es, das du immer noch keine Freundin hast, Felix?", hörte ich Bella schnauben, ihre sanfte Stimme troff vor Sarkasmus. "Aber mach dir keine Sorgen, Kumpel. Ich bin sicher, die Ladies werden sich nach dieser trotteligen Entfaltung einfach in einer Reihe aufstellen."

Ich schnaubte in meinen Drink.

"Heftig, har, har, Prinzessin. Du hast Glück, dass ich eine scheiß Angst vor deinem Mann habe, oder ich würd´ dich über mein Knie werfen und deinen kleinen Arsch verhauen."

Bella kicherte. "Versuchs doch mal, Felix the Cat."

"Hör auf, mich so zu nennen, Bella!“, schrie er wie ein vorpubertärer Teen. Das Einzige, was in dieser Gleichung fehlte, war das beleidigte Fußstampfen.

"Hör auf, jedes Mal zu kreischen wie ein kleines Mädchen, wenn ich das tue und ich werde aufhören.", sang sie zurück.

"Komm schon, Bella." Der große Kerl lachte. "Du wirst seine kleinen Kätzchen-Gefühle verletzten."

"Fickt euch ihr Zwei!“, schrie Felix, murmelnd und schob Leute aus seinem Weg. "Verfickte psychoärschige Cullens und ihre Pets. Warum, zur Hölle, schlage ich mich mit diesem Bullshit rum? Oh, ja richtig, ich hab keine verdammte Wahl! Na gut, Scheiß-Jane und Scheiß-Aro auch!"

"Ich denke, er wird heulen." Der Linebacker lachte.

"Ich hoffe es so." Sie trank in einem Zug, was von ihrem Bier noch übrig war. "Er ist ein Arschloch."

Ich war schockiert und in voller Ehrfurcht vor meiner Tochter erstarrt. Die Bella, die ich kannte, würde nie so frech und kaltschnäuzig sein, sogar zu einem Arschloch. Sie war schon immer viel zu schüchtern, höflich und unsicher für so was. Etwas hatte sich geändert; sie hatte sich geändert, und ich konnte dieses neugefundene Selbstvertrauen nur ihrem Freund und seiner Familie zuschreiben. Sie waren die einzigen Unterschiede in ihrem Leben. Ich verstand plötzlich, warum Phil so hartnäckig gewesen war, hier herzukommen. Ich hatte immer angenommen, dass er so war, weil er die Vorstellung nicht ertragen konnte, dass Bella mit einem anderen Sex hatte, und das war sicher ein kleiner Teil davon. Aber jetzt wurde mir klar, dass Phil wahrscheinlich genau davor Angst gehabt hatte, dass Bella eines Tages so werden könnte, wie sie nun war. Nun war der Tag da. Der Tag, an dem sie so stark, glücklich und zufrieden sein würde, dass sie vergessen konnte, was er ihr angetan hatte, und was er ihr zweifellos immer noch antun wollte oder es zumindest versuchte.

Ich seufzte und runzelte, mich elend fühlend, die Stirn.

Ich wollte nicht wieder ihr Leben zerstören, aber ich hatte keine Wahl.

Die Wahrheit war, tief unter der Lüge, die ich geworden war, um zu überleben, hasste ich Bella nicht und ich machte sie nicht verantwortlich für das, was mit Phil passiert war. Sie wegzuschicken, wie ich es getan hatte, war das Einzige gewesen, was mir eingefallen war, um sie in Sicherheit zu wissen, weil sie garantiert nie zu mir zurückkommen würde ... oder dem Monster in meinem Bett. Ich hatte keine Ahnung, warum Phil das tat, was er getan hatte. Dass er mich halb zu Tode prügeln und mich danach dazu zwingen würde, über meine eigene Tochter die schrecklichsten Lügen zu erzählen. Er hatte sogar die Lüge ausgebrütet, dass er mich für irgendein achtzehnjähriges Mädchen verlassen hatte, um sicherzustellen, dass er aus dem Rampenlicht war, wodurch eine noch größere Mitleidsparty für die arme, dumme Renee kreiert wurde.

Natürlich weigerte ich mich zuerst.

Bis er mir sagte, wenn ich nicht das tat, was er mir befahl, würde er nach Forks fahren und Bella töten.
Ich musste es tun, weil ich wusste, zu was er fähig war. Er würde mein kleines Mädchen töten, und ich konnte nicht zulassen, dass das passierte. Als er von ihrem Freund erfuhr, indem er wie immer die Telefongespräche zwischen mir und Charlie belauschte, wurde er völlig rasend. Er ließ mich sie an diesem Tag anrufen und all diese schrecklichen Dinge sagen, während er daneben stand und sicherstellte, dass ich ihr keinen Hinweis gab. Ich hatte nicht die Absicht, hier herzukommen, um tatsächlich zu versuchen ihre Beziehung und wieder ihr Leben zu zerstören. Wieder ihr Leben. Nicht, bis Phil beschloss, dass ich es tun sollte. Was konnte ich tun? Wenn ich ihm nicht gehorcht hätte, dann wäre er alleine gekommen und hätte mehr Schaden angerichtet, als ich je im Stande gewesen wäre.

Auf diese Art würde sie zumindest leben.

Aber ich war kaum schuldlos bei all dem. Ich wusste das. Wenn die Zeit kam, den Akt mit ihrem Freund durchzuziehen, würde ich es genießen. Ich würde den Nervenkitzel der Jagd spüren und vor Aufregung zittern wie ein Junkie, der ich zweifellos war, wenn er schließlich nachgab. Wenn das passierte, würde ich nicht an meine arme Tochter denken oder an jemand anderen. Bei dieser Gelegenheit würde ich nur an meine eigenen verdorbenen Bedürfnisse denken.

Sexsucht.

Mein Arzt nannte es eine Krankheit, aber für mich war es ein wütendes Monster, nichts anderes als mein psychotischer Ehemann.

Ich hätte die ganze Nacht dasitzen und die Schuld und die Scham runterschlucken können, aber ein plötzliches Protestgetöse der Menge zog mich aus der widerlichen Verunreinigung. Ich drehte mich auf meinem Stuhl, um die Band die Bühne verlassen zu sehen.

Das Mädchen mit den mausbraunen Haaren ging hinauf. Als Masen an ihr vorbeiging, reichte er ihr das Mikro mit einem breiten Lächeln, sagte etwas zu ihr, das ich von da, wo ich saß, nicht ausmachen konnte.
"Alles klar, alles klar!“, brüllte sie ins Mikro. "Beruhigt euch, ihr geilen Schlampen! „Dirty Betty“ wird wieder am 23. des nächsten Monats zurück sein! Haltet, verfickt nochmal, die Fresse, ehe ich euch mit dem Schlauch abspritze!"

Die Menge brüllte vor Lachen.

"Wenn ihr mit der Band plaudern wollt - zeigt ihr eure Liebe –, dann, so wurde mir gesagt, geht das in Ordnung."  Sie grinste, ein schelmisches Funkeln schien hell in ihren dunklen, braunen Augen. "Aber nähert euch dem Sänger Masen mit extremer Vorsicht, Ladies ... oder ihr findet euch schwingend an der Decke in einem Fleischkasten irgendwo in Downtown."

Jemand johlte. Eine weitere schrie, "Hölle ja!"

Sie kicherte, zeigte auf diejenige, "Ich mein´s ernst, Jamie. Tu das nicht noch einmal! Geh da nicht wieder hin, denn ich schick´ dir diesmal keine `Genesungskarte´."

Masen warf seinen Kopf laut lachend zurück und machte sich auf zur Bar, wo Bella, mit verschränkten Armen vor der Brust und Augen zu Schlitzen verengt, stirnrunzelnd dastand.

"Scheiße, ich hasse diesen Song!", knurrte sie zu dem großen Kerl neben sich. "Er macht es nur, um sie anzustacheln!"

"Komm schon, Bella", sagte er, spielerisch knuffte er sie mit seinem Ellenbogen. "Es ist alles nur Spaß. Wir wissen, mit wem er am Ende der Nacht nach Hause geht." Sein Grinsen verbreiterte sich. "Außerdem könnte Masen „Twinkle, Twinkle Little Star“ singen, und sie würden dennoch über ihn herfallen wie schwanzhungrige Huren."

"Stimmt, aber ich muss es nicht mögen, Em", grummelte sie angewidert. "Ich hätte einfach zu Hause bei Mary Alice und Rosie bleiben sollen."

Er lachte. "Yeah ... das wird nie passieren, kleine Schwester. Er hätte es nie zugelassen."

"Ich bin mir dessen bewusst." Sie drehte sich zu ihm um, um ihn anzufunkeln. "Weil er mich dann nicht beobachten könnte, wie ich mich winde."

Er zuckte die Achseln. "Du kennst ihn."

"Oh, das tue ich, Emmett. Ich kenn ihn ganz sicher."

In dem Moment schaffte Masen es zur Bar, er nahm Bella in seine Arme und küsste sie, hart. Ihr Körper versteifte sich für zwei Sekunden vor Ärger, ehe sie kapitulierend gegen ihn schmolz. Als er den Kuss abrach und sich zurückzog, grinste er sie triumphierend an.

Bella kniff ihre Augen zusammen. "Ich nehme an, du denkst, alles ist jetzt vergeben, ja?“, knurrte sie ... dann flippte sie aus, und boxte ihm direkt auf den Mund. Er stolperte einige Schritte zurück, Nasenlöcher vor Wut aufgebläht und die Jadeaugen mörderisch. "Ich hab dich gebeten, diesen beschissenen Song nicht zu singen, und du tust es trotzdem."

"Bella!“, brüllte der große Typ, Emmett, zog sie an seine Seite, als ob er sie beschützen wollte. "Hast du deinen verdammten Verstand verloren?" Er drehte sich zu Masen. "Sie .. Ich hab sie zu viel trinken lassen, Mann! Sorry! Sie ist nicht sie selbst!"

"Geh mir aus dem Weg, Emmett", schrie Bella, und drückte ihn weg. "Ich bin nicht betrunken! Ich bin sauer, weil mein Freund ein Arschloch ist!"

Ich sah entsetzt mit offenem Mund zu; meine Augen schossen zwischen den beiden hin und her. Jeder um sie herum tat das gleiche. Masen sagte nichts, er stand nur einige Schritte von ihr entfernt da, vibrierte fast aus seiner Haut, mit den Händen zu Fäusten geballt, vor Zorn knirschenden Zähnen, während ein Rinnsal Blut aus seinem Mundwinkel lief.

Aber ... ganz plötzlich ging etwas Seltsames zwischen ihnen vor, dass ich nicht ganz deuten konnte. Ein Mundwinkel von Bella zuckte. Wenn ich nicht so genau hingesehen hätte, hätte ich es verpasst. Masen sah sie mit hochgezogener Augenbraue an und gluckste, grüne Augen blendeten.

Es war komisch und absolut erschreckend. Er sah immer noch richtiggehend angepisst aus, aber es war, als ob seine Energie und Konzentration sich von blinder Wut fast zu so etwas wie Berechnung verschoben hätte. Ich hatte diesen Blick schon bei Phil gesehen.

Er drehte sich zu Emmett. "Bin gleich wieder da. Ich muss weg von dieser kleinen, verfickten Göre, ehe ich sie kaltmache!“

"Oh ... OH!" Emmett erfasste, was auch immer passiert war, mit einem tiefen Schnauben. Mir fehlte das Wissen darüber, aber jeder um uns herum sah genauso verwirrt aus. "Okay, Mann. Ich halt´ sie für dich hier."
Als Masen wegging und den Flur hinunterglitt, der zu den Klos führte, wollte ich ihm und wollte ihm auch wieder nicht folgen. Ich wollte, weil die kranke Kreatur, die in mir war, ihn trotz der Angst wollte. Und ich wollte nicht, weil die  Angst da war. Die widersprüchlichen Gefühle waren aber irrelevant. Ich musste ihm folgen, weil es das war, was mir beigebracht wurde.

Schritt eins: lerne dein Opfer kennen!

Meine beste Möglichkeit, ihn und Bella zu trennen, bestand darin, ihn dazu zu kriegen, dass er sie mit mir betrog, ihrer Mutter. Bei einem anderen Mädchen könnte sie in der Lage sein zu vergeben, aber bei mir, ihrer Mutter und einer Frau, die ihr nichts als Kummer gebracht hatte? Sie würde ihm nie verzeihen, und ich könnte es ihr nicht verdenken. Aber um das zu erreichen, musste ich ihn kennenlernen, mich mit ihm anfreunden und den besten Weg herausfinden, um ihn in mein Bett zu ziehen. Ich kannte mich damit aus, weil Phil mich mit anderen ahnungslosen Paaren hatte üben lassen. Monatelang, seit meinem Anruf, war es das, was ich getan hatte: Männer verführen ... üben für das, was Phil ´Den großen Tag´ nannte.

Dieser Tag.

Ich fand Masen auf dem Männerklo. Er wischte sich gerade vor dem Waschbecken Blut von seinem Mund. Als ich die Tür öffnete, drehte er sich um, um zu sehen, wer rein kam und hob seine Augenbrauen vor Überraschung bei der Erkenntnis, dass es eine Frau war.

"Tut mir leid." Ich errötete. "Ich dachte, das wären die Damentoiletten."

Er grinste. "Das arschgroße Schild an der Tür, das sagt "Männer", war kein Hinweis für dich, ja?"

Lieber Gott, seine Stimme war wie schwitzender, brutaler Sex.

"Ich muss dran vorbeigesaust sein." Ich lachte nervös und fummelte an meinem Handtaschengurt herum. Ihm so nah zu sein, ließ mich ein bisschen benommen fühlen. Warum war das Klo so verdammt klein in einem Club von dieser Größe? "Aber, äh, nun bin ich hier ... weil ich sagen will, ich hab ... ähm, ich fand deine Show echt toll."

Weder die Nervosität noch das Erröten war gespielt. Dieser Kerl könnte leicht unter meine Haut gehen, wenn ich ihn lassen würde. Der logische Teil meines Hirns versuchte, mich daran zu erinnern, warum ich hier war, aber der Rest von mir hörte nicht zu. Dieser war viel zu sehr in ein paar intensiven jadegrünen Augen verloren.

"Yeah?" Er grinste, und es war eines der schönsten Dinge, die ich je gesehen hatte. Ich fühlte einen Hauch Farbe das zweite Mal meine Apfelbacken hochkriechen. "Ich freu´ mich, dass es dir gefallen hat. Wie ist dein Name, Süße?"

"Amanda", log ich, mein Herz hämmerte in meiner Brust. "Amanda Jane Watts."

"Nun, Amanda Jane Watts“ Er hob eine Hand, um meine zu schütteln.  "Ich bin Masen Edward Cullen."

Er schien ganz anders als einen Moment zuvor: ruhiger, weniger überwältigend und um einiges ungefährlicher. Ich sah ängstlich zu ihm hoch und erkannte, dass ich die ganze Zeit, in der ich mit ihm allein gewesen war, steif und vor allem bereit dazu gewesen war wegzurennen.

"Versprochen, ich beiße nicht." Er lächelte freundlich, hielt immer noch seine Hand ausgestreckt. "Du weißt, dass ich nur eine Rolle spiele, oder? Du weißt schon, für die Show? Das war eine Show da draußen, alles davon. Ich bin eigentlich ein ziemlich netter Kerl, wenn ich das über mich selbst sagen kann."

Er erschien so aufrichtig, dass ich nicht anders konnte als zurückzulächeln.

"Versprochen?“, neckte ich und errötete wieder. "Du wirst mich doch nicht fressen, oder so?"

"Nee." Er lachte. "Ich bin eher ein Ich-schließ-dich-für-eine-Woche-in-meinen-Schlafzimmerschrank-ein-Typ."

Etwas blitzte in seinen Augen auf, als er den letzten Teil sagte, was mich instinktiv einen Schritt zurückmachen ließ.

"Woah, woah." Er schnaubte und hielt seine Handflächen nach oben. "Ich hab nur gescherzt, Süße. Du bist ja ein schreckhaftes, kleines Ding. Ich werd´ dich nicht verletzen."

"Ich ... ich ..." Ich war verwirrt. Er schien gerade so harmlos und nett, sogar besorgt. Aber da waren Stückchen von schwarzen Splittern knapp unter der Oberfläche, dasselbe, was ich in seinen Augen sah, nachdem Bella ihn geschlagen hatte.

"Schau, Amanda, ich werd´ einfach wieder zurück an die Bar gehen", sagte er, die Brauen gerunzelt, die Lippen gespitzt. "Ich wollte dich nicht aufregen. Es tut mir leid."

Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Mein Verstand raste von der Anzahl der möglichen Antworten und stolperte schließlich über das vorherige Dilemma mit seinem Namen. Es war möglich, dass er die Wahrheit gesagt hatte, dass der böse Punk Rock Gott, den ich auf der Bühne gesehen hatte, einfach nur eine Show war und diese Masen-Rolle lediglich eine Schöpfung, um etwas Besonderes in die Band zu bringen. Es war nicht ungewöhnlich in der Musikindustrie. Alice Cooper war nicht böse, auch wenn er so wirkte, wenn er auf der Bühne stand. Ich hatte ihn mal getroffen, als ich jünger gewesen war. Er war super klug, süß und eine sanfte Seele. Nicht der lederbekleidete Teufel, den er darstellte. Es würde auch erklären, warum er bei Bella war. Er musste eine freundliche und geduldige Person sein, um sich mit all ihrem emotionalen Gepäck herumzuschlagen.

Es war auch sehr gut möglich, dass ich wegen meines Ehemannes Monster sah, wo es keine gab.

"Warte!", platzte ich heraus, als er den Griff der Klotür packte. Er stoppte und drehte sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu mir um. "Tut mir leid ... ich komm gerade aus der Großstadt, und es ist schwer, jemanden zu vertrauen. Können wir nochmal von vorne anfangen?"

Er lächelte. "Klar."

"Hi, ich bin Amanda Jane Watts", sagte ich und streckte meine Hand aus.

"Masen Cullen." Er hob eine Hand und legte sie in meine. Sie war stark und warm und schwielig an den Fingerspitzen vom Gitarre spielen. Es gab auch noch etwas anderes, einen Impuls oder Elektrizität. Es war das Seltsamste, was ich je gefühlt hab, so als ob ich wieder klein wäre und mein Bruder Alex mich herausforderte, meine Zunge an eine 9-Volt Batterie zu legen. Ich blickte neugierig herunter zu unseren verschlungenen Händen, um zu sehen, was die Ursache sein könnte, dann schnaubte ich.

"Warum hast du das Wort "Wagon" auf deine Knöchel tätowiert?"

Er lachte und zog seine Hand weg. Er machte zwei Fäuste und hielt sie nebeneinander für mich hoch, um die Worte kenntlich zu  machen.

Als sie zusammen waren, las man auf den zehn Knöcheln "Agony Wagon".

Es war eine seltsame Sache, sich dies auf die Finger tätowiert zu lassen. Ich hab eine Menge verschiedener Knöchel-Tattoos in meiner Zeit gesehen. Meistens Worte wie ´Hass´, ´Liebe´ oder beides, aber nie etwas wie das; und schon gar nicht auf allen fünf Knöcheln einer Hand.

Es war eigenartig. Irgendwie wie er.

"Warum würdest du wollen, dass deine Hände so was aussagen?"

Ich hatte keine Zeit, um etwas zu tun oder auch nur zu schreien. Er zog eine stahlharte Faust zurück und schlug mir direkt ins Gesicht. Lichter platzten wie funkelnde Sterne in meinem Sichtfeld auf und der Raum wirbelte herum, ehe ich mit dem schmutzigen Kloboden kollidierte. Blut lief aus meinem offenen Mund auf den Beton unter mir und bildete eine blutrote geronnene Lache mit abgebrochenen Zähnen.

"Du hättest auf deine Instinkte hören sollen und rennen, als du die Chance hattest!" Er lachte, als das Schloss des Klos an seinen Platz klickte.

Pures Entsetzen schoss durch mich hindurch. Ich kroch über den Boden, hinterließ eine Blutspur hinter mir. Mein Hirn war auf Autopilot geschaltet und zwang mich zur Flucht. Aber es gab kein Entkommen. Der Raum war fensterlos mit einem Monster zwischen mir und dem einzigen Ausweg. Aber ich bewegte mich dennoch; das Einzige, das ich tun konnte.

"Wohin willst du, Schatz?" Er kicherte, platzierte einen schweren Stiefel in der Mitte meines Rückens und zwang mich drückend zu einem zitternden Stoppen. "Das ist nicht das, was du im Sinn hattest?"

"Bitte." Ich spuckte Blut, meine Stimme brach. "Lass mich einfach gehen."

Er sagte nichts. Stattdessen packte er mich an den Handgelenken und fing an, sie hinter meinen Rücken zu ziehen. Ich kämpfte höllisch. Ich tat es wirklich. Ich versuchte ... aber dann fing er an, mich zu treten. Die Luft rauschte aus meinen Lungen, und ich hörte meine Rippen unter seinen Stiefeln brechen. Mein Körper rollte sich instinktiv zu einer schützenden Kugel zusammen, mein Kopf erfüllt von nichts außer einem weißen Rauschen. Wenn Phil anfing, mich zu schlagen, tat ich, was meine Mutter ´sich tot stellen´ nannte. Sie hatte gesagt: Wenn du deinen ganzen Körper entspannst und deine Seele irgendwohin lässt, wo es schön ist, dann ist das Schlagen nichts, weil es ohnehin immer so sein wird. So, als würde man während eines Autounfalls auf dem Rücksitz schlafen und dann ohne einen einzigen Kratzer aufwachen, obwohl die anderen über die komplette Scheibe verschmiert sind.

Ich wurde schlaff, und er hörte lange genug auf mich zu treten, um meine beiden Handgelenke zusammenzuziehen und sie hinter meinem Rücken zu fesseln. Als er mich herumrollte und er sich breitbeinig auf meine Brust setzte, war ich mir nicht sicher, was er vorhatte. Mein erster Gedanke war, als er meine Hände zusammengebunden hatte, dass er beabsichtigte, mich zu vergewaltigen… aber jetzt war ich mir nicht mehr so sicher.

"Gemütlich?“, fragte er und ruckelte auf meinem angebrochenen Brustkorb hin und her. Ich biss auf meine Lippe, um mich vom Schreien abzuhalten und schaute in blindem Schrecken hoch. Mir wurde plötzlich klar, dass er all seine Deckungen und Masken abgeworfen hatte, und mich somit genau sehen ließ, was er war…Ich hatte keine Worte für den Alptraum der auf mich herabgrinste. Es war ekelerregend offensichtlich, dass er sogar auf der Bühne und auch als Bella ihn schlug, immer noch einige Masken aufgehabt hatte.

Er grinste breit und böse. Es war wie in das wirkliche Auge der Hölle zu starren. "Ich denke du und ich müssen ein wenig plaudern ... Renee." Ich keuchte bei dem gezischten Klang meines echten Namens, und er kicherte. "Hast du wirklich geglaubt, ich wüsste nicht, wer du bist? Du kannst dein Gesicht verändern so viel du willst, aber du kannst nie diese Augen loswerden." Er beugte sich nah zu mir und legte einen Ellenbogen auf den Boden neben meinem pochenden Kopf. "Die gleichen wunderschönen, tiefen, schokobraunen Augen wie die deiner Tochter."

"Wusstest du, dass Augen die Fenster zur Seele sind?“, raunte er. Leicht strichen seine vollen Lippen über meine. "Man kann alles sehen, was eine Person ist, wenn man nur richtig hinschaut. Also ich bin neugierig darauf ... was siehst du in meinen, Renee?"

Ich blickte in seine intensiv gefärbten Augen und erschauderte.

Ich wusste, was ich in ihnen sah, aber ich konnte nicht sprechen.

"Ich habe dir eine Frage gestellt!“, blaffte er, und gab mir einen scharfen Kopfstoß. Ich fühlte, wie mein Blut aus der frischen Wunde am Kopf seitlich an meinem Gesicht herabtropfte. "Beantworte es oder ich werd´ diese hübschen, braunen Augen aus deinem Kopf holen und deinen Schädel ficken!"

"Tod!" Ich würgte vor Panik. Ich wusste mit jeder Faser meines Körpers, dass wenn ich ihm nicht antwortete, er seine Drohung haargenau wahrmachen würde. "Ich sehe Tod!"
Er richtete sich auf, starrte grinsend auf mich herab und zog seine Faust zurück. Das Wort "Agony" war das letzte, was ich sah, bevor alles aus ging….



Sonntag, 3. März 2013

Chapter Nineteen - Set Yourself Free



I wear this crown of thorns
upon my liar's chair
full of broken thoughts
I cannot repair
beneath the stains of time
the feelings disappear
you are someone else
I am still right here
what have I become?
my sweetest friend
everyone I know
goes away in the end
and you could have it all
my empire of dirt
I will let you down
I will make you hurt
if I could start again
a million miles away
I would keep myself
I would find a way
Hurt

A Nine Inch Nails song, performed by the great Johnny Cash




~ Rosalie Hale ~

Menschen, angezogen in teuren Kleidern, wirbelten um mich herum, lachten, plauderten und schlürften Champagner, genossen die Party, genossen ihr Leben, und ich konnte mich bei diesen Feierlichkeiten nicht anschließen. Zu dieser Zusammenkunft wurde ich von Royce und meinem Vater gezwungen, das war ihre Vorstellung von Spaß, nicht meine. Offenbar dachten sie, ich bräuchte ein Stärkungsmittel, denn ich hatte die letzten Wochen die meiste Zeit mit Schmollen verbracht. Ich war nicht wirklich anwesend, atmend, aber dennoch kaum lebendig.

Jeder bei dieser Soiree erschien mir unglaublich künstlich, von ihren Designeranzügen und Kleidern bis zu ihren Perücken und Porzellanfassaden.

Und doch war ich die größte Fälschung von ihnen allen.

Mein ganzes Leben täuschte ich diese Show namens Rosalie Hale Super Bitch schon vor. Ich war das Mädchen, welches Schlägereien mit Kerlen provoziert hatte, die jeden unter den Tisch saufen konnte und das alles auch schon gemacht hatte. Das heiße Mädchen. Das selbstbewusste Mädchen. Das vernünftige Mädchen.

Was für eine absolute Scheiße.

Um meine Mauer unter meinen Füßen zerbröckeln zu lassen, hatte ich nur glauben müssen, dass mich jemand liebte, vergleichbar mit einem kleinen Mädchen, das hoffte, ihr totgeglaubter Daddy würde wie ein Prinz in schimmernder Rüstung irgendwann zurückkommen.

Ich irrte im Nebel umher, als ob ich im Fegefeuer gefangen wäre, bis ich Emmett kennenlernte. Er änderte etwas in mir. Die Wolke des Misstrauens, die über mir hing, hob sich und es gab nichts außer Freude. Ich hatte so etwas noch nie zuvor erlebt. Niemand mochte mich je wirklich. Obwohl keiner mich kannte, da ich die wahre Rose nie jemanden gezeigt hatte.

Nicht Bella.

Nicht meiner Familie.

Niemandem.

Ich zeigte Emmett mein wahres, unsicheres, ängstliches Selbst, in der Hoffnung, er würde sich für mich interessieren.

Aber es war alles eine Lüge.

Er hatte mich benutzt, so dass sein verdrehter böser Bruder Bella bekommen konnte, und mein Herz fühlte sich an, als ob es sich nie wieder davon erholen würde. Jedes Mal, wenn er mir sagte, ich wäre ihm wichtig, die Stunden, die wir damit verbracht hatten, Geheimnisse zu teilen, während er mich badete, oder wenn wir nach dem Sex in den Armen des anderen lagen… alles Lügen!

Jede Berührung, jedes geflüsterte Versprechen. Alles Täuschung und alles weg.

Ich schluckte das letzte bisschen Scotch und drehte mich zum Barkeeper.

"Noch einen."

Er hob die Augenbraue. "Sie hatten schon etliche, Miss Hale. Ich glaube nicht, dass ihr Vater ...“

"Scheiß, auf meinen Vater!"

"Das ist charmant", sagte eine weiche Stimme, die ich dummerweise kannte, während ein Körper neben mir auf den Stuhl plumpste.

Der kombinierte Geruch von Zigaretten, Jack und Psycho traf mich voll im Gesicht.

Ich drehte mich, um ihn anzusehen, und er lächelte mich an, mit diesem perfekten Mund und diesen teuflischen, intensiven grünen Jolly Rancher Augen, die mich vermutlich in die Hölle saugen würden, starrte ich nur lang genug in sie hinein.

Ich wich reflexartig zurück, alle Haare auf meinen Armen stellten sich auf, und er gluckste.

"Entspann dich. Ich bin nicht hier, um dich zu fressen." Er zündete sich eine Zigarette an und hob die Hand zum Barkeeper. "Jack ohne Eis und gib der Lady noch einen Drink."

Der Barmann schluckte schwer, nahm die Präsenz des Mannes vor ihm auf und erbleichte etwas. Er fing an, vorsichtig zurückzuweichen wie eine scheue Feldmaus, die den Duft einer Katze im nahegelegenen Gebüsch aufgefangen hatte.

"Wie hast du mich gefunden?" Meine Stimme zitterte.

Manchmal war ich eine toughe Frau, aber dieser Mann entsetzte mich in einer Art, die ich nicht ganz erklären konnte. Er war kein Mensch. Niemand, der so korrupt und verdreht war, konnte ein Mensch sein. Die Abscheu, die ich für ihn fühlte und warum er mich so ängstigte, konnte ich nicht genau erklären. Aber der Grund, warum Edward Cullen mein Innerstes in Panik verdrehen ließ, war die Tatsache, dass ich ihn nie täuschen konnte. Er hatte die Art Augen, die sich bis zu deinem eigentlichen Kern bohren, zu der fleischlichen, auslassenden Seele einer Person und durch die Fassade, hinter der man sich zu verstecken versuchte. In dem Moment, als wir uns das erste Mal trafen, hatte er gewusst, was ich war und das erschreckte mich zutiefst.

"Es war nicht schwer", gluckste er. "Du bist nicht gerade unauffällig, Rosalie."

Seine Zunge schoss aus dem Mund, um seine Unterlippe zu befeuchten, und ich schauderte. Auch nach allem, was ich über ihn wusste, konnte ich die krankhafte Anziehung sehen. Er war wunderschön und konnte in erschreckender Weise sehr charmant sein. Er wusste auch genau, wie er es zu seinem Vorteil nutzen konnte.

Arme Bella. Wie konnte ich ihr die ganze Schuld zuschieben? Sie hatte nie eine Chance mit einem Monster wie ihm, welches sie verfolgte.

"Du bist hier, um sicherzustellen, dass ich nicht rede?“, fragte ich gerade, als der Barmann nervös unsere Drinks vor uns abstellte und wieder ging. Arme kleine Maus.

Er hob eine Augenbraue. "Willst du, dass ich das tue?"

Der Ausdruck auf seinem hübschen Gesicht war eine Mischung aus Belustigung und ungezügelter Lust.

Ich schluckte. "Nein."

"Das ist eine Schande", murmelte er, hob seinen Jack und kippte ihn in einem Schluck runter. "Es würde Spaß machen."

"Irgendwie bezweifle ich das ernsthaft." Ich trank meinen eigenen Drink. "Also, wenn du nicht hier bist, um zu tun, was auch immer Leute tun, die so abgefuckt im Kopf sind wie du, warum bist du dann hier?"

Er lachte. "Ich bin hier, um zu reden."

"Nur reden?" Das bezweifelte ich. Ich fühlte mich, als ob ich versuchte eine höfliche Konversation mit dem Sensenmann zu führen, während er gleichzeitig seine Sense direkt vor mir schärfte.

"Jepp. Nur reden." Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette, und mein Blick wanderte zu seinem Schmollmund, ehe ich mich selber aufhalten konnte.

Er grinste rund um seine Zigarette. "Du weißt, du machst es mit deinen weit aufgerissenen Augen und der Verletzlichkeit wirklich hart für mich."

"Sorry." Ich sah hinunter auf mein leeres Glas. "Also, über was willst du mit mir reden?"

"Du legst eine tolle Show hin, Rosalie", sagte er, umfasste mein Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. Ich schnappte nach Luft, als unsere Augen sich trafen. "Es ist ziemlich überzeugend. Aber ich weiß es besser, nicht?"

"Bitte. Ich ... es ist nicht das, was du denkst."

Er gluckste. "Ist es nicht? Also erzählst du mir, die verletzliche Unterwürfigkeit, die mir gerade jetzt aus diesen schönen blauen Augen entgegenstrahlt, ist eine Lüge?"

Ich errötete und flüsterte. "Nein." Es hatte keinen Zweck zu versuchen, ihn zu täuschen; er kannte die Wahrheit und hatte es schon immer getan.

"Die einzige Sache, die ich nicht weiß, ist, wer dich auf diesen Weg gebracht hat", murmelte er und bewegte in langsamen Kreisen seinen Daumen seitlich an meinem Gesicht. "Ich hab meine Theorien und natürlich weiß ich, ganz gleich, wer es war, machte es geschickt.“

Meine Augen flackerten nach rechts, ehe ich mich aufhalten konnte und  nahmen die große, schlanke Gestalt meines Vaters ins Visier, der einige Schritte entfernt, mit eine Gruppe Leute redend, dastand.

"Das dachte ich mir", schnurrte Masen und beugte sich vor, um in mein Ohr zu flüstern. " Daddys haben es drauf, immer alles irgendwie zu vermasseln, nicht wahr?"

"Bitte", wimmerte ich. "Tu mir nicht weh."

"Ich habe nicht die Absicht, dir weh zu tun, Rosalie." Er lehnte sich zurück und ließ mich los. "Ich bin nur hier, weil, glaub es oder nicht, es Leute gibt, die dich verstehen und so nehmen wie du bist. Wie du wirklich bist, keine Show erforderlich."

Alles in mir wollte ihm glauben, wollte hoffen, dass das, was er sagte, wahr sein könnte. Aber die kleine Stimme, die mich verfolgte, seitdem ich ein Mädchen war, flüsterte mir wieder zu und sagte, dass ich ihm nicht trauen konnte. Ich hatte Emmett die Wahrheit erzählt und gesehen, was passiert ist.

Ich schüttelte meinen Kopf. "Sie würden nie verstehen, vor allem Bella."

Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Du würdest sehr überrascht sein, was Bella versteht" Er machte eine Pause, um einen langen Zug von seiner fast aufgerauchten Zigarette zu nehmen, dann drückte er sie im Aschenbecher auf dem Tresen aus.

"Emmett versteht."

"Und er hat mich verraten." Ich verengte die Augen.

"Er wählte eine Seite." Er zuckte die Achseln. "Er zog seine Familie dir vor, und ich kann sehen, wie es dir wehtut, aber wir sind sein Blut. Wenn es um die Cullens geht, bist du entweder für uns oder gegen uns. Du hast deine Position in dem Moment ganz klar gemacht, als du in unser Haus gestürmt bist und getan hast, was du mit Bella gemacht hast."

Schuld überkam mich, Tränen stachen in meinen Augenwinkeln. Ich schämte mich, aber das überwältigende Gefühl, welches ich jetzt spürte, war Verwirrung. In den letzten Wochen war ich jeden Moment in meinem Kopf durchgegangen, den ich in der Nähe von Edward verbracht hatte und versuchte zu entschlüsseln, wann er Edward und wann Masen war. Ich dachte, ich hätte Erfolg gehabt, aber sein jetziges Gebaren warf mich aus der Bahn. Er sah aus wie Masen, war es aber nicht, zumindest nicht, wie ich ihn in Erinnerung hatte.

"Warum tust du das?"

"Weil ich beide liebe, Bella und Emmett, und sie vermissen dich."

Ich saß sprachlos über seine Antwort da. Nicht in einer Million Jahre wäre so etwas wie das aus Masen Cullens Mund gekommen. Ich musterte ihn genauer, so als würde ich ein brillantes,  kräftiges, aber zweifelsohne gefälschtes Gemälde von Monet ansehen. Ein durchtriebenes Grinsen begann die Seite seines Mundes hochzuziehen, während mein Blick ganz und gar über ihn wanderte.

"Was siehst du?“, flüsterte er und beugte sich zu mir. "Schau genau hin, weil es nicht leicht zu erkennen ist."

Ich blickte in seine Augen und sah dort das Feuer, eine wirbelnde Grube von grünen und goldenen Flammen: all der Hass, all die teuflische Freude, die er dabei verspürte, wenn er beobachtete, wie die Menschheit sich selbst zerstörte, all diese Zufriedenheit, die er empfand, wenn er Schmerzen verursachte. Aber da war noch etwas anderes, eine Wildheit, die zuvor nicht dagewesen war, etwas Urzeitliches und Erschreckendes, als wenn man in die Augen der Verdammten starrte, während sie brannten.

Ich saß zitternd vor ihm, denn in seine Augen zu sehen, fühlte sich an wie sterben.

"Du bist ... du bist nicht Masen. Oder?"

Er gluckste. "Nope."

"Aber du bist auch nicht Edward."

"Wieder richtig." Er zwinkerte.

"Du bist ... sie beide. Zusammen?"

"Der originale Gangster." Er lachte. "Alles eingewickelt mit einer netten, ordentlichen, psychotischen Schleife."

"Wie?" Ich schnappte nach Luft. Es war das einzige Wort, das ich rausbringen konnte.

Er runzelte die Stirn. "Ich will nicht darüber reden, wie es passiert ist, Rosalie. Alles was du wissen musst, ist, dass es so ist."

Ich nickte langsam. Ich hatte nicht vor, ihn zu drängen. Nur Gott wusste, zu was dieser Mann fähig war, wenn er richtig bei Verstand war und nicht in zwei verschiedene Persönlichkeiten aufgeteilt wurde. Plötzlich schien meine Situation noch fataler, als sie es vor einem Augenblick war, weil ich diesen Edward nicht kannte. Er war ein Joker, unberechenbar, und er könnte ein schrecklicher Cocktail aus einer beliebigen Anzahl von finsteren Gewohnheiten seines getrennten Selbst der Vergangenheit sein.

"W-wie soll ich dich dann nennen?"

"Masen ist in Ordnung." Er schenkte mir ein breites Grinsen. "Es ist weniger verwirrend und ich hab noch nie meinen zweiten Vornamen gemocht."

"Wie ist dein zweiter Vorname?“, fragte ich, versuchte die Unterhaltung unschuldig zu halten oder so unschuldig wie möglich.

Er lachte, zog sich eine weitere Zigarette aus dem Päckchen und zündete sie an. "Du bist ein kluges Mädchen, Rosalie. Wie lautet mein zweiter Vorname?“

"Edward", flüsterte ich.

Er lächelte, zog an seiner Zigarette zwischen seinen Lippen und blies den Qualm in die Luft. "Schau. Du bist klug." Er hob eine Augenbraue. "Nun, zurück zu dem, weswegen ich hier bin. Sie lieben dich, du liebst sie. Also komm jetzt einfach mit mir zurück."

Ich sah ihn an und alle meine Mauern stürzten ein. Nicht weil ich das wollte, sondern weil er mich dazu zwang. Mein Herz zersprang in meiner Brust und ich verkümmerte vor ihm, transformierte mich in eine beschädigte Kreatur und erkannte mich als das, was ich wirklich war.

"Shhhh", sagte er gedämpft und nahm mein Kinn wieder in seine Hand. "Für verdrehte, zerbrochene Dinger wie uns, ist alles, was wir haben, einander."

"Aber ... was ist, wenn sie mich nicht wollen?" Ich würgte. "Was ist, wenn sie nicht verstehen?"

Er lächelte weich. "Wenn du ihnen nie die Chance gibst, wie kannst du dir da sicher sein, dass sie dich nicht verstehen würden?"

Tränen liefen über und ein Schluchzen kratzte in meiner Kehle. "Er hat mir die schrecklichsten Dinge angetan. Sie werden es nie verstehen."

"Sag es mir. Erzähl mir das Schlimmste, was er getan hat."

"Warum?“, knurrte ich und zog mein Gesicht aus seinem Griff. "Damit du dich daran aufgeilen kannst?!"

Er lachte, und ich schauderte bei dem Klang.

"Meine Mutter benutzte mich, um mich für Sex an andere Frauen zu verkaufen", verkündete er sachlich nüchtern. Ich wand ihm meinen geschockten Blick zu. "Ich war nur ein Kind, und sie setzte mich vor den Spiegel im Badezimmer in dem miesen Loch von Wohnung, in der wir lebten, und erklärte mir, was ich zu tun hatte, um sie glücklich zu machen, während sie meine Haare kämmte. Manchmal zeigte sie mir, was ich zu tun hatte. Alles in meinem Leben war danach im Vergleich dazu ein Kinderspiel. Nicht einmal die Elektroschocks taten mehr weh."

Ich blickte nach unten auf die Bar und schniefte. "Tut mir leid."

"Auf was ich hinaus will, ist, dass du nicht allein bist, Rosalie. Du bist nicht die Einzige, die gelitten hat. Emmett hat dir zweifellos erzählt, wie seine Kindheit war. Wir alle wurden gefoltert. Aber du kannst eine Familie haben, wenn du es willst."

Erinnerungen, schreckliche Dinge, die ich versuchte zu vergessen, brodelten an die Oberfläche, und ich schluchzte.

"Er ... er hat mich auch benutzt", flüsterte ich zwischen leisen Schluchzern. "Zwang mich und meine Freunde Sex zu haben, während er zusah. Ich war erst zwölf, als er den besten Freund meines Bruders, Andrew, beobachtete, wie er meine Jungfräulichkeit nahm. Drew war 19."

"Und du denkst nicht, sie würden es verstehen?"

Ich schüttelte den Kopf, schluchzte härter. "Nein. Ich fing an, es zu mögen. Ich fing an, es zu wollen. Wie könnten sie das verstehen?"

"Ich habe dir bereits gesagt, dass derjenige, der dir das angetan hat, geschickt war." Er gluckste. "Also dachtest du, dass dich keiner finden würde, wenn du dich versteckst?"

Ich nickte.

Er beugte sich vor, um in mein Ohr zu flüstern. "Oh, aber Süße, du kannst diese Art der Verderbtheit nicht verbergen. Zumindest nicht vor mir. Und du solltest nicht versuchen, dich vor den beiden zu verstecken. Komm mit mir nach Hause, wo du hingehörst."

Ich drehte mich um, um ihn anzusehen. "Glaubst du wirklich, sie würden es verstehen?"

Hoffnung. Es war ein winziger Hoffnungsschimmer, der mich nachfragen ließ. Ich hatte noch nie jemanden gehabt, der mich so akzeptierte wie ich war. Emmett hatte das zwar, aber dann hatte das ganze Durcheinander mit Bella und Masen alles versaut. Könnten sie alle mich akzeptieren? Mich auch lieben? Der Gedanke war lächerlich, aber das kleine Samenkorn der Hoffnung, das Masen gepflanzt hatte, schien jetzt wild zu wuchern.

Er lächelte. "Oh ja."

"Und du willst mich da?“, fragte ich, weil ich unsere Geschichte kannte. Er mochte mich nicht wirklich, ich war mir sicher.

Er lachte. "Ja. Du machst sie glücklich, also tue ich das auch." Sein Gesichtsausdruck wurde ernst, fast väterlich. "Aber es gibt Dinge, die in diesem Haus passiert sind, über die nie geredet wird."

Da war ein Knacken, nicht von etwas das knackte, sondern innerlich… so als wäre ich das erste Mal in meinem Leben befreit worden. Die Welt drehte sich einmal um ihre Achse und meine Mauern schmolzen dahin, so als hätte es sie nie gegeben.

Ich nickte verstehend. "Ich weiß. Ich bin gut darin, Geheimnisse für mich zu behalten."

Meine Stimme klang seltsam kindlich in meinen Ohren, als ob ich eigentlich ein zwölf Jahre altes Mädchen wäre und nicht in den Zwanzigern. Ich erkannte in diesem Moment, dass es meine wahre Stimme war. Ich verstellte mich nicht mehr.

"Siehst du, Kleine", gurrte er und legte eine sanfte Hand auf die Seite meines Gesichts. "Willst du jetzt nach Hause gehen, Rosy?"

"Ja, bitte, Masen", flüsterte ich und schenkte ihm ein kleines Lächeln. "Ich würde das sehr gern."